Am Fenster

Während Büttner in den United States of Amnesia weilt und Kampmann in der Trübnis des Dritten Reichs nach ihm sucht, versucht einer die Sachlage zu kanalisieren, um die bestmögliche Unterstützung der Welt im Kampf gegen unsinnige Gewalt und Unterdrückung auszuhecken: Dr. Holger Karsch flaniert den Kanal entlang. Er ist auf dem Weg heimwärts vom Kongresszentrum Bizkaia Aretoa, Abandoibarra Etorb., 3, zu seinem Hotel, das, etwas abgelegen, in einem, man würde sagen, eher problematischen Stadtviertel der Baskenhauptstadt Bilbao liegt. Er marschiert diesen Weg jeden Tag, und er liebt ihn sehr. Genauso wie er diese Stadt liebt.

Bilbao, wie Dr. Holger Karsch es zu sehen gelernt hat. Foto: Holger Karsch

Täglich geht er in zwei Richtungen durch die Gassen und Straßen, und täglich erfreut ihn das Wetter, das ein wenig rau ist. Aber er genießt es. Sein Hotel ist seine Zentrale. Man kennt ihn dort, weil er seit Jahren schon dort unterkommt, wenn er in der Stadt ist. Er könnte sich natürlich eine Wohnung nehmen. Macht er nicht, da er unabhängig sein möchte und nur temporäre Verträge einzugehen gewillt ist. Was natürlich mit seiner Arbeit zu tun hat. Karsch ist nun im Bilbi in seinen vier Wänden. Er isst Mitgebrachtes, sinniert. Er denkt an den Engel mit der Honda CB 650 F, den wird er als letztes Mittel einsetzen. Aber bis es soweit kommt, bleiben noch ein paar Möglichkeiten. Dr. Holger Karsch hatte Aomame gesprochen und gefragt, ob sie bereit sei. Sie bejahte. Das also wäre geklärt. Nun gilt es, das Rätsel zu lösen. Er wird Linienflüge nehmen und über München nach Salzburg fliegen. Dort wartet die MV Agusta 1000 Rush auf ihn, und er wird sich auf den Weg Richtung Bischofshofen machen. Er wird die Kurvenorgie mit Genuss und stetig wechselnder Schräglage auf der Hochkönigstraße hinter sich bringen und Aomame auf der Mittereggalm treffen. Dort wird er mit ihr zusammen suchen und in Zimmer 2 einen Zettel mit dem Zeitcode finden. Und sie werden ihre Bikes tauschen, sich trennen, um möglichst unerkannt zu bleiben.

Zimmer 2, Mittereggalm, linkes Nachtschränkchen, Schublade oben. Foto, Bildbearbeitung (Gimp): Holger Karsch

Er hatte Kampmann nicht ohne Grund den Abbruch verordnet. Die Zeit war überreif. Karsch weiß, dass Büttner und Kampmann niemals etwas mit der Bombe hätten ausrichten können. Er muss NOSE gerade jetzt nutzen, um Klarheit zu schaffen. Beide Agenten waren unzweifelhaft auf sich gestellt. Beide hatten nicht den blassen Schimmer von den Zusammenhängen, die hinter all ihrem Streben wirken, um zu verhindern, dass für das Gute im Menschen am Rad der Geschichte gedreht werden sollte. Der Feind der RDS hatte mit Bono einen der beliebtesten Morlok ins Feld geführt. Der war bekannt für seine akustischen Tricks, mit denen er so manche Finesse der Organisation unwirksam werden ließ. Karsch setzt Dude Aomame auf Bono an, um ihm ein für alle Mal in dessen Suppe, diesen akustischen Brei, zu spucken. Er hat es satt, dass dieser depperte Barde mit dem albernen Großkotzertum und dem völlig verdrehten moralischen Kompass immer wieder seine Leute zu verarschen versuchte und es immer wieder schaffte, Zeit zu schinden.

Karsch muss als nächstes Dressler finden, seinen Mann im Dritten Reich. Der hatte effektvoll den Widerstand organisiert, war als Kollaborateur gebrandmarkt, hat aber das Herz an der richtigen Stelle und setzt sich für die ungerecht Behandelten ein. Dressler ist einer, der will nicht mehr zurück, selbst wenn er nicht in diese Zeit gehört. Der hatte seine Wahl getroffen, und genau deshalb kann Karsch sich zu einhundert Prozent auf Dressler verlassen. [Fortsetzung folgt vielleicht]

Soundtrack: Caroline Rose: Superstar, New West Records, NW5365, 2020