Bewegung ins Spiel

Es wurde immer kälter. Der Herbst neigte sich dem Ende entgegen. Die Hügel wurden karg, und die Gesprächsthemen für die immer länger werdenden Kaminabende gingen zur Neige. Das sinnierte Kampmann, und er dachte an Schnee und musste sich schütteln. Den konnte er jetzt gar nicht gebrauchen. Er hatte noch ein bisschen vor in diesem Jahr, bevor die Kälte ihm den Weg über die Berge versperren würde. Zunächst müsste er die Anarchos in Volterra besuchen. Jetzt erinnerte er sich wieder daran, dass er sich an die glorreichen Zeiten mit Büttner erinnert hatte, und ihm fiel ein, dass er ihm aus Versehen per PILZ eine unverständliche Nachricht hatte zukommen lassen: «… der mir die Kirche erklärt. Ich liebe es hier. Stein/Spolie = Nachricht v. Karsch.» Was er damit hatte sagen wollen, war vergessen. Er hatte einmal gelesen, dass eine Milissa gemeint habe: «Die Vergangenheit ist ehern, die Gegenwart veränderlich und die Zukunft voller Möglichkeiten.» Wenn es denn so einfach wäre. «Solche Sätze findet man in Romanen. Und wenn Schriftsteller ihren Figuren diese in den Mund legen, ist das vollkommen in Ordnung. Es widerspricht jedoch den Erfahrungen in der der Welt.» So äußerte sich Kampmann gegenüber Maurizio, der nach seinem Spaziergang mit Perry durchs Dorf wieder aufgetaucht war und mit ihm über das weitere Vorgehen sprechen wollte.

Also wurde es Zeit, und er hatte sich ausgerüstet, er hatte ausgiebig trainiert, er hatte eine Weile geruht und fühlte sich fit für das Meeting mit Dr. Holger Karsch. Sie hatten sich verabredet, und Maurizio hatte ihm die Infos sowohl per NOSE, REST und WASTE besorgt und seine Pläne durchs PILZ mit dem Weißblech in den Erdspeicher transferiert. Alles weitergeleitet. Kampmann liebte Maurizio. Er liebte seinen Hund, sein Haus, und er bedauerte es, dass dieser Mann seinen Planeten verloren hatte. Zu viele Kriege. Zu viel organisierter Wahnsinn. Nun, er hatte es ja immer schon gewusst, dass die Menschheit so war, wie sie war, und sie würde sich nicht ändern (oder doch?). Er hatte viele Menschen auf seinem Weg kennenlernen dürfen. Manche waren regelrecht verrückt vor Dummheit. Vor allem Männer. Die logen noch als Erwachsene! Das musste man sich einmal vorstellen. Einer von denen war ein Betrüger. Und jedes Mal, wenn Kampmann dem begegnete und der ihm wieder irgendeinen Blödsinn vom Himmel log, wusste er, dass er sich hüten musste, ihm irgendetwas zu erzählen. Nicht nur, dass dieser Typ ihn ausfragte, nein, sondern er tratschte auch alles weiter, und was an coolem Zeug passierte, schrieb der sich dreist auf die eigene Fahne. An den würde Kampmann noch denken müssen. Das aber erst später, in einer anderen Zeit.

Maurizio hatte ihm eine nagelneue MT-09 vor die Tür gestellt. Jetzt würde Bewegung in die Geschichte kommen. Foto: Familie Kampmann

Maurizio hatte Kampmann eine nagelneue Yamaha MT-09 besorgt. Damit würde er zunächst nach Volterra, dann zu Karsch fliegen. Aldo Moro, Brigate Rosse …, die anarchistische Buchhandlung. An der Stadtmauer warten. Dort ist der Parkplatz. Durch das Tor, aber vorher Kurven! Sein Paradies. Bald ist die Saison zu Ende. Er musste die wenigen schönen Tage ausnutzen, um wenigstens noch ein paar Kilometer zu fahren. Welches Ziel wäre geeigneter als die Stadt in den Bergen? Und vielleicht begegnet er sogar Barbarella unterwegs. Jetzt war er sehr aufgeregt und wurde vom Reisefieber ergriffen. «Ich bin in zwei, drei Tagen wieder da. Also erst Volterra, dann an den Hochkönig. Karsch wird sicher dort sein.» Kampmann bat Maurizio, die Sachlage an Karsch zu kabeln, und ab die Post. Rechter Finger: Ignition. Der Dreizylinder röchelt seinen stinkenden Odem durch den Akrapovič. Warten. Systeme hochgefahren. Kontrollleuchten erloschen. Kampmann schließt das Visier des Arai. Er spürt den kantigen Tank, legt den ersten Gang ein. Die Maschine ruckt ein klein wenig vor, und ab geht die Post. [Fortsetzung folgt vielleicht]

Soundtrack: Heute mal nichts.