Talkshow

Das war ein riesiges Studio, und mit Büttner und Kampmann saßen Friedrich Merz, Alice Schwarzer und andere von den üblichen Verdächtigen in den Sesseln. Merz geißelte unablässig die Außenpolitik der Bundesrepublik, weil er wahrscheinlich in die Außenministerin verliebt war, und Schwarzer wiederum geißelte die CDU, weil sie wahrscheinlich in Merz verliebt war, und unsere beiden Temponauten indes staunten über all das Aufführen von «Positionen», «Haltungen», «Einstellungen», «Wahrheiten», «Vernunftheiten» und was man da immer in dieser Form des vielstimmigen Monologs auf Kosten der Zuschauerhirne geboten bekam. Man hatte sie eingeladen, um der RDS ein Forum zu bieten, um Transparenz zu üben. Jahrelang operierten die Mitglieder im Verborgenen, und eigentlich war ihnen sehr daran gelegen, dass man von den Aktionen rein gar nichts mitbekam. Immer wieder einmal kamen Momente, aber auch Ergebnisse ihrer Arbeit ans Licht. Damit einher ging dann gelegentlich ein Drang zur Rechtfertigung, denn schließlich war die RDS kein demokratisch legitimiertes Instrument der Exekutive, sondern vielmehr ein Club humanistischer Gammler, deren wesentliches Charakteristikum ja erst einmal in anderen Zeiten und Systemen als «zersetzend» eingeschätzt worden wäre. Wenn jeder gammelte! Wo kämen wir da hin?

Während sich also die Großkopferten des deutschen Talkshowkulturtourismus wieder einmal in Form ihrer eigenen Sprechakte ausfalteten, knufften sich Büttner und Kampmann und zupften Zigarren aus den Hemdtaschen, zündeten sie an und qualmten, was das Zeug hielt. Ganz politisch korrekt zog Kampmann dann wie in alten Zeiten einen Sixpack Prösslbräu quasi aus dem Hut, öffnete eine Flasche mit dem Feuerzeug, reichte sie Büttner, öffnete sich selbst auch eine, klink klonk, und ab ging die Brause den Schlund hinunter. Getreu dem alten RDS-Motto: «Kopp in Nacken, ab in Hals. Fisch muss schwimmen.» Schwarzer grinste und feixte, bis Kampmann ihr auch eine Pulle reichte. Dann waren die beiden, die wie ein paar abgerissene Edelpunks in ihren britischen Maßanzügen mit feinstem Leder (Büttner: Ludwig Reiter, Theresianer; Kampmann: John Lobb, Double Monk) beschuht ausschauten, an der Reihe. Kampmann schaute auf seine Jaeger Lecoultre Duomètre Unique Travel Time und meinte salopp: «Lasst knacken», Maybritt Will ließ sich nicht zweimal bitten. «Jungs, ihr seht so unglaublich cool aus. Aber mal ehrlich: Was soll der ganze Quatsch. Draußen steht die Welt Kopf, und ihr habt nichts Besseres zu tun, als munter vor euch hinzugammeln, statt sie zu retten?» Büttner lobte die Journalistin für ihre couragiert-rockige Einschätzung der Lage, holte dann aber weiter aus: «Die Betrachtung dieses Sachverhalts, hochgeschätzte Frau Will, führt uns zu einer Kernfrage von Autorschaft und Weltbetrachtung sowie zur Abbildleistungsdichte von Literatur per se.» Kampmann ergänzte: «Unsere Autoren, liebe Maybritt, machten es sich zu leicht, würden sie uns zu dem ausgestalten, was wir eigentlich sind: die wahren James Bonds und Austin Powers.» «Natürlich könnten wir eingreifen und Dinge hin und herschieben, dann aber nähme die Welt einen anderen Lauf», erklärte Büttner. «Aber seid ihr nicht genau dafür da?», fragte Will. [Fortsetzung folgt vielleicht]

Soundtrack: Pet Shop Boys, Release, Parlophone 5385982 (2002)