Grenzgänger

Rapport vom 3. Oktober

Eigentlich war das Drei-Länder-Eck in Wahrheit ein Zwei-Länder-Eck. Und genau genommen noch nicht einmal ein Eck. Es war schlicht die Grenze zwischen Ost und West, zwischen hier und da, zwischen Kommunismus und Kapitalismus. Das ironische an dieser Zweiteilung? Niemand sagte Kapitalismus, sondern alle stimmten in das Lied von Freiheit ein. Aber dazu später mehr.

Büttner besuchte im Nachgang zu Rabanus und Q. die Rhön, auch um zu sehen, ob alle Vorrichtungen für Grenzgänger intakt waren. Seit Anbeginn der Zeit waren die Dudes bemüht, Grenzen abzubauen, zu umgehen und zu überwinden. Das manifestierte sich nicht nur in Übungen wie Levitation und Zeitreisen. In der Rhön nun war die Society seit dem Großen Krieg aktiv. Sie betrieben tausende Tunnel, die alles mit jedem verbanden.

Für BND-Agenten, die bekanntlich nicht die hellsten Kerzen auf der Torte waren, markierten die Dudes sehr auffällig die Zugänge zu den verborgenen Tunnels.

Nun war die Tätigkeit des edlen Fluchthelfers durch den Mauerfall zum Erliegen gekommen. In der Rhön betrieben jedoch die Kalten Krieger immer noch ein Historien Museum. Allgemein bekannt unter dem Namen Point Alpha. Dort wurde West-Grenzen-Folklore zur Schau gestellt. Fahrzeuge des Bundesgrenzschutzes, wie die der amerikanischen Armee, konnten begutachtet werden. Ebenso die Schlafunterkünfte, der Munitionsbunker, der Wachturm und das Wachhäuschen. Was einzig fehlte, war die Gegenüberstellung mit den russischen Militärposten. Dieser wurde lediglich durch einen Beobachtungs- und Meldeturm symbolisiert.

Sie ließ den Hund durch ihre Liebe zu Holz erstarren

Büttners Wanderungen durch die Rhön führte zu allen verbliebenen Tunneln. Heute verbanden sie nicht mehr nur Ost und West, sondern auch die Gegenwart mit der Vergangenheit. Hätte Kampmann sich etwas genauer in Dresslers Baracke umgeschaut, wäre ihm die Zahl 8, die auf einer der Bodendielen geritzt war, aufgefallen.

Unauffällig auffällig markiert die 8 den Zugang zu Dresslers Baracke

Als der antifaschistische Schutzwall noch standhaft den Osten vor den West-Nazis schützte, gab es, außer unzähligen Schnitzelbuden, nichts in der Rhön. Das war ein Glück für das Rhönschaf, alle anderen Tiere und die Landschaft dazu. Denn da, wo nichts ist, konnte man getrost die Landschaft zum Nationalpark und zum Biosphärenreservat ernennen. Das juckte eh keinen. Lediglich ein paar schlaue Wirte, Schäfer und Bauern, die frühzeitig ihre touristischen Attraktionen darauf ausrichteten. Und weil es einfach nichts gab, machte man kaum Licht. Denn was hätten Straßenlaternen wohl ausleuchten sollen? Das genossen Rabanus und Q. in der Rhön: Wo kein Licht ist, da lässt es sich hervorragend Sterne guggen.

Hinter jedem Baum sitzt ein Antifaschist

Diese pittoreske Landschaft wurde heute mehr denn je von faschistischen Parteien in Beschlag genommen. Während die AFD und andere Nazis die Dörfer mit ihren Hetzkampagnen drangsalierten, zog sich die Antifa ins Rote Moor zurück und erschreckte Rentner-Touristen.

Büttner nahm das alles zur Kenntnis und fertigte Bilder aus Erinnerung an und schrieb seinen Rapport für die Knotenpunkte. Er überlegte kurz, ob er den Rapport in NOSE einspeisen sollte, was er nicht tat. Dann betrat er den nächsten Zeittunnel und verschwand vor den Augen der lustigen Zwerge aus dem Land der weiten Ferne, die damit beschäftigt waren, Hirsche auf den Kopf zu stellen, zu drehen, um so aus ihnen lustige, kehlige Gurgelgeräusche, zu evozieren.

Soundtrack: Nepomuc, exzerpt IX, Exzerpte LIVE – Jagdschloss Platte – Schlachthof Wiesbaden, TriTraTrotz Records, 1999