Zeitungsmeditation

Eine der intensivsten Erfahrungen eines zeitungsversessenen Dudes ist das Meditieren über und mit Papier. K. ist ein papier- und zeitungsversessener Dude. Daher ist es kein Wunder, dass es K. eingefallen ist, wie man über die Blätter, die den Gang der Welt begleiten, zum inneren Frieden gelangt. Diese Technik der Selbstentgrenzung hatte K. schon vor seiner Reifeprüfung entwickelt, um Friedfertigkeit bis in die letzte Faser seines Körpers hineinzuimpfen. Heute ist diese Praxis auf ganz Terra gängig. Sie wirkt übrigens immer. Das Vorgehen ist relativ simpel. Zunächst abonniert man eine Zeitung. K. hatte immer schon eine Wochenzeitung, deren Exemplare er niemals, sondern nur direkt vor einem Umzug entsorgte. Er stapelte sie auf zu einem Turm und wartete, bis er mindestens Hüfthöhe erreicht hatte. Das dauerte eine ganze Weile. Währenddessen las er das Blatt und verinnerlichte alle guten wie schlechten Nachrichten und verdaute das Weltgeschehen in einer distanzierten, aber hochgradig beteiligten Rezeptionsweise. Mit einer Tageszeitung geht es natürlich schneller. Doch ist gerade die verstreichende Zeit das Wesentliche an dieser Übung. Außerdem ist das Lesepensum wesentlich höher, wenn man eine täglich erscheinende Lektüre präferiert. Das schafft man eigentlich nur, wenn man ein Sabbat-Jahr nimmt. Dann ist zu empfehlen, vor dem Start die Größe der im Bruch zu faltenden Zeitung bei der Wahl zu berücksichtigen. Das Berliner Format sollten Großgewachsene meiden. Die Auflagefläche ist zu gering. Es sollte denn doch bequem zugehen. Doch ganz gleich, welches Medium man nun wählt: Man tastet und testet sich dabei peu a peu an die ideale Höhe heran und hat dann nur ein relativ schmales Zeitfenster, um die Übung zu absolvieren. Denn schon eine Woche später kann es wieder vorbei sein, und die Höhe des Stapels stimmt mit dem nächsten Exemplar nicht mehr mit der notwendigen Höhe für die Meditation überein. Dann wiederum heißt es, die Zeitungen zu entsorgen und das Sammeln und Lesen von Neuem zu beginnen. Das Lesen ist absolut notwendiger Bestandteil. Ohne es wird es keine erwünschten Folgen zeitigen.

Zeitungsmeditation
K. mit zirka 22 Jahren bei einer Zeitungsmeditation. Foto: Familie Karsch