Einträge ins rote Notizbuch

Die Reise gestaltete sich mühsamer, als ich angenommen hatte. Stop-and-go auf der Autobahn. Nur unterbrochen von heftigen Regenschauern. Kampmann hatte mich eindringlich gewarnt.
An definierten Landmarken musste ich von der Autobahn abfahren und in öffentlichen Pissoire nach Hinweisen zur nächsten Landmarke suchen. Der Griff in tief verdreckte Latrinen wurde mir zur Gewohnheit. Irgendwann in der Nacht kam ich an.

Ich war nicht zum Spaß hier. Ich suchte Sachs. Und ich musste ihn finden, bevor andere es taten. Das BKA. Der Verfassungsschutz. Wer weiß sonst noch, wer alles hinter ihm her war. Der gesamte Staatsschutz. Und die braune Mischpoke.
Ich setzte mich an den Schaf-Decoder und wartete darauf, dass die Schafe blökend und graszupfend durchs Sichtfeld trabten. Zur richtigen Uhrzeit ergaben die Schafe eine Botschaft, die ich mithilfe des Schaf-Decoders zu entschlüsseln hoffte. Kampmann kabelte nicht mehr. Er schickte Schafe.

Sachs meinte mal, man müsse eine Feldlerche nur ordentlich packen und den Hals in die richtige Richtung drehen. Fest und mit einem Ruck. Und schon würde man Radio Moskau empfangen. Daran musste ich denken, als ich durch die Salzwiesen lief und das eintönige Tirili der Feldlerchen ertrug.
Keine Schafe. Keine Botschaft.
Sachs war auch nicht aufgekreuzt.

Dauerregen. Ideal, um Meisterwerke der Ingenieurskunst zu bestaunen. Mit meiner Leica legte ich mich auf die Lauer und beobachtete das Sperrwerk. In der Ferne waren Detonationen zu vernehmen. Sachs?

Am Abend saß ich im Garten. Jeden Abend. Trotz Regen war es erstaunlich warm.

Ich sollte nicht so viele Notizen machen. Am Ende würde sich die Arbeit nicht lohnen. Wieder keine Schafe. Dafür Kitesurfer und Ziegen vom Owambohof. Die Bäuerin grüßte mich. Führt sie etwas im Schilde? Versteckte sie Sachs? Es wäre nicht das erste Mal, dass Sachs sich vor den Augen der Menschheit versteckte. Er war ein Meister der Grauen Männer.

Ich verbrachte den Tag damit, den Schaf-Decoder neu zu justieren. Eine schweißtreibende Angelegenheit. Zu Mittag gab es Suppe vom Vortag.

Am Strand befanden sich die Latrinen in schwindeleregender Höhe. Der Wind hatte alle Türen aufgestoßen. Sonnenstrahlen fielen durch die Ritzen des Dachs. Kein Rentner würde sich in diese Höhe wagen.

Unweit der Latrinen lag ein Fotograf mit einem mächtigen Objektiv auf der Lauer. Er hatte Surfer vor der Küste im Visier.

Ziemlich was los. Heute. Eine Menge Einsatzfahrzeuge brausten an meinem Unterschlupf vorbei. Feuerwehr. Rettung. Polizei. Das ganz große Besteck. Aus der Luft unterstützte ein Hubschrauber.

Auster nervte mich. Er wusste alles besser. Auch dieses Mal. Im Grunde jedesmal. Wo Sachs war, wusste er allerdings nicht.
Als ich Auster kennenlernte, schneite es. Das war vor vielen Jahren. Wir hatten beide eine Einladung zu einer Lesung. Wir trugen Textpassagen aus unseren Büchern vor. Auster aus Leviathan und ich stellte die Geschichte der RDS vor. Auster gefiel die Geschichte der RDS. Von da an nannten wir uns Freunde. Wir schickten uns jeweils im Wechsel das neueste veröffentlichte Buch zu. Auch verband uns die Suche nach Sachs.