Elvis

Roy’s Café – Amboy, Kalifornien

FfK trafen ihn in Roy’s Café. Sie nannten ihn Elvis. Nicht weil er wie Elvis aussah. Er hatte ein Elvis-Tattoo auf dem Unterarm. Elvis machte die drei Freunde darauf aufmerksam, dass die Inhaberin es nicht gerne sähe, wenn man ihr Café fotografieren würde. Auch dann nicht, wenn man zuvor etwas bestellt oder sein Automobil vollgetankt habe. Sie würde keinesfalls mit sich reden lassen. Überhaupt sei sie sehr unzugänglich, ja wirsch und abweisend. Deswegen sei er so gerne hier, erzählte Elvis.

Oft schon hatte man ihn an der Nase rumgeführt. Nun wurde es Zeit, dem etwas entgegenzusetzen.

Sie gingen raus vor die Tür, wo Bohl ein Portrait von Elvis anfertigte. Derweil bauten Büttner und Reuss die Camera Obscura auf. Sie gingen davon aus, dass die Besitzerin nichts bemerken würde. Und selbst wenn, sie würde nie auf den Gedanken kommen, dass die beiden vorhatten, Roy’s Café zu fotografieren. Bisher hatte niemand den klobigen Apparat, der stets auf dem Boden stand, als Fotoapparat, geschweige denn als Camera Obscura erkannt.

Roy’s Cafe – Eine Ikone.

Nachdem die Aufnahme getätigt war, gesellten sich die beiden wieder zu Bohl und Elvis. Diese waren in einen Stapel Papiere vertieft und lasen sich begeistert Passagen daraus vor.

Elvis erzählte, dass er vor einigen Jahren am Zabriskie Point die Zeit totschlug. Ausserdem hatte er Stress mit seiner Alten und wollte allein sein. Er saß auf einem Felsen und starrte in die flimmernde Wüste, als einige schmale Gestalten sich in der Nähe niederließen. Ein Bong machte die Runde und dann schmiss der Glatzkopf mit der irren Brille eine Pille und kam echt schräg drauf. Die Gruppe alberte herum, einer riss sich die Kleider vom Leib und rannte herum. Die anderen lagen oder saßen herum und stierten vor sich hin. Der Glatzkopf holte aus der Tasche einen Stapel Papier hervor und schmiß ihn weg. Elvis hörte noch, bevor die wilde Truppe von dannen zog, den Glatzkopf brüllen: «Scheiß auf Theorie.»

Als die Gruppe weg war, wollte Elvis wissen, was dieser Stapel Papier wohl sein könnte. Da er kein Französisch konnte, blieb ihm verborgen, dass es das unveröffentlichte Manuskript der Geschichte der Sexualität war. Von keinem geringeren als Foucault. Er nahm den Stapel an sich und fuhr zurück zu seiner Alten.

Elvis fuhr immer mal wieder mit seinen Freunden in die Wüste, wo sie sich Geschichten erzählten. Elvis las dann Kapitel aus dem Manuskript vor. Dabei tat er so, als ob verstehen würde, was er vorlas. Die Freunde jedoch hatten ihn schon lange durchschaut.

Wenn man ganz genau hinschaute, konnte man Foucault sehen, wie er dort unten stand und nach vorne schaute, von der Kamera weg in die Wüste.

Foucault lernte aus dem LSD-Trip, die Dinge anders zu betrachten. Sein Denken und Handeln hatte sich bedeutend verändert. Jahre nach Foucaults Tod fanden Wade und seine Frau Briefe von Foucault, die von diesem Erlebnis Zeugnis ablegten. Arndt würde darüber ein Feature für den Deutschlandfunk zaubern.

Büttner hörte den Erzählungen von Elvis aufmerksam zu und machte sich hin und wieder Notizen. Diese würde er zu dem Vortrag «Der Poststrukturalismus auf LSD – Zabriskie Point und die Folgen» ausarbeiten. Auch hatte er vor, Coupland zu ermuntern, die Geschichten und das Lebensgefühl von Elvis und seinen Freunden in einem Buch zu veröffentlichen. Weil er nicht wissen konnte, wann es passen würde, scherzte Büttner, «Nenn es doch Generation X».

Am Tag X im Jahr 1991 wurde Generation X veröffentlicht.

Soundtrack: Brian Eno, Ambient 4: On Land, EG, 1982

Nachtrag: Bohl konnte ebensowenig Französisch wie Elvis. Es bleibt ihr Geheimnis, worüber sie sich so sehr begeistert haben, als sie sich gegenseitig Passagen aus Geschichte der Sexualität vorlasen.