Heritage & Vintage

Im Grand Hotel Europa tummelten sich nicht nur die Dudes. Altvordere von diesseits und jenseits der Ozeane, wie leider auch unbelehrbare, rückwärtsgewandte und zukunftsverweigernde Subjekte ebenso. Gerade die Kaminzimmer im Grand Hotel Europa wurden von diesen Subjekten regelrecht belagert.

Die Dudes hatten die Kaminzimmer mit jeweils nur einem Stuhl ausgestattet, um es der rechten Brut in eben diesen Zimmern ungemütlich zu machen.

Charles der III. war ein ganz aggressiver Verfechter des Wahren, des Alten und deswegen Guten. So seine Überzeugung. Wenn es nach ihm gehen würde, würde London schleunigst in den Zustand von 1800 irgendwas zurückgebaut. Gott sei Dank ging es nicht nach ihm. Dennoch versammelte er um sich eine Schar Jünger. Das waren die Journalisten aller großen Sender, der BBC, des ZDF, der ARD und auch RTL. Horx und sein Sohn waren dabei, wie die Achse des Guten, das Heritage Magazin, Esoteriker und Ökospinner. Eben all die, von denen Horx, der Alte wie der Junge, in seinen Pamphleten schwärmten. Beide nannten das Konfusionismus, der die Evolution der Demokratie antreibe. So, davon war Horx aktuell überzeugt, und das verkaufte er auch an leichtgläubige Menschen aus den Chefetagen der Wirtschaft, würde aus der Asche des absterbenden Links-Rechts-Schema eine Politik der nächsten Ebene, die er NIP (wie Nippes) taufte, erwachsen. Sein guter Freund Broder klatschte vor Freude in die Hände. Mit Charles als Zugpferd, so die Gaunerbande um Broder, würde der Weg für den III. Weg geebnet, die Identitären das Kultusministerium überschrieben bekommen und die Landnahme rechter, völkischer Volldeppen, zum Rollenmodell für die Jugend werden.

Grausige Zeiten drohten über die Menschheit hereinzubrechen.

Welches Erbe, so die ewige Frage der Dudes, würde wohl Europa ausmachen? Das des Kolonialismus? Des Rassismus? Und wie die ganzen Ismen noch heißen? Mit erschrecken mussten die Dudes feststellen, dass aus dem Schabernack von einst heuer tödlicher Ernst zu werden drohte. Hatten sie doch dem englischen Adel, wie dem Adel insgesamt, nahegelegt, ihr debiles Dasein durch die Pflege von Gärten, dem nacheifern des Wabi-Sabi-Prinzips, dem herrichten schöner Landsitze und dem bewahren alter Handwerkskunst, aufzuwerten. Das taten diese Ausbeuter so gut, dass alsbald die Herren von TUI und Thomas Cook und all den anderen Tourismuskonzernen, den touristischen Wert dieser Tätigkeit auszubeuten begannen. Im Verbund mit italienischen Spindoktoren überzeugten sie die UNESCO, doch bitte schön adelige Parks und Städte unter besonderem Schutz zu stellen. Das geschah dann auch, wenn auch erst einmal in Italien. Erst Denkmäler, dann Gebäude, ganze Straßenzüge, Städte bis hin zu weiten Landschaften, wurden zum Welterbe erklärt und zogen magisch Touristen an, die sich am Erbe erfreuen wollten.

Mittlerweile litten viele Gemeinden unter dem, durch Instagram, Kreuzfahrten und Billigflüge angeheizten Welterbetourismus und sie wünschten sich die Vor-Welterbe-Zeit zurück. Das jedoch würde die UNESCO abstrafen. Mit dem Entzug des Titels Welterbe. Das hatten die Spindoktoren der UNESCO ins Heft diktiert.

Für die Adelsbrut konnte es nicht genug Heritage und Vintage geben. Denn das war gleichbedeutend mit Geld, Geld und nochmals Geld.

Menschenrechte! Menschenrechte! So riefen die Humanisten unter den Dudes. Die sind nicht veräusserlich und stehen jedem zu. Blöd nur, so der mahnende Hinweis der weisen Dudes, dass die Menschenrechte nicht die Handschrift aller Kulturen tragen und dass die westliche Oligarchie die Menschenrechte längst zu einem einseitig zu gebrauchenden moralischen Vorschlaghammer umfunktionierte.

Broder lief freidrehend in Passau umher. Jahre später sollte sich sein Aufwand in der Zunahme rechter Querdenker in der Stadt auszahlen.

Als Gegenveranstaltung zum metalabor, führte die Stadt Wiesbaden, die trotz der Ignoranz der UNESCO, sich selbst als Welterbe sah (Historismus!), jährlich den geheimen Heritage-Kongress im Kurhaus durch. Durch das Kurhaus waren dereinst der Kaiser und der Zar Hand in Hand geschlendert und da die beiden, davon waren die Wiesbadener überzeugt, noch lebten (wohl mit den Nazis auf der dunklen Seite des Mondes), würden sie eines Tages wieder Hand in Hand durch das Kurhaus schlendern, wenn, ja wenn alles so bliebe, wie es dereinst war. Und das galt für die ganze Stadt, abzüglich der Siedlungen. Der Kongress stand unter der Schirmherrschaft der Heritage Stiftung. Um den Kongress im verborgenen durchführen zu können, wurde dieser immer im Frühjahr, wenn im Kurhaus Frühjahrsputz angesagt war und für einige Tage das gemeine Publikum vor die Tür gesetzt wurde, terminiert. Die Dudes versuchten den Heritage-Kongress zu promoten, um die Spinner zum Auszug aus dem Grand Hotel Europa zu bewegen.

Plakat der RDS zur Bewerbung des Heritage Kongress. Autor unbekannt.

Soundtrack: Zarah Leander, Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh’n, Odeon, 1942