Die Brücke

Er konnte nicht sagen, wie lange er aus dem Fenster gestarrt hatte. In tiefe Gedanken versunken, rauschte er mit dem Sonderzug durch die Etappe. Es war beinahe schon zu spät. Denn im Westen hatten sie bereits verbrannte Erde hinterlassen. Er schaute auf die zerstörte Brücke, die aus dem Abteilfenster vor der Mittelgebirgskette wie ein totes Reptil im Wasser lag und keine Ufer mehr miteinander verbinden konnte. Und er verhielt zwangsweise in der trübsinnigen Gedankenwelt des «gout de neant». Er war auf die andere Seite geraten. Ohne dass er es hätte beeinflussen können. Und jetzt packte ihn die Angst, denn er hatte eine Aufgabe, aber von dieser Seite des Flusses hatte er nicht die geringste Chance, sie zu meistern.

Die Brücke
Die Brücke. Foto: Familie Paasch

Auf der Suche nach Büttner war er durch das ganze Land gereist und hatte WASTE befragt, aber erfolglos. Er hatte sich in den besetzten Gebieten umgeschaut. Er hatte alle verborgenen Verstecke aufgesucht, alle Orte, wo sie die Kassiber versteckt hatten, doch kein einziger wartete auf ihn. Der Himmel war ein weißgraues Einerlei. Und ein fürchterlicher Trübsinn hielt ihn gefangen, hatte er doch auf seiner schier endlosen Reise so viel unbeschreibliches Elend erleben müssen. Die Brücke ließ ihn nicht mehr los. Sie schien der Gegenstand einer unermesslichen Verdichtung aller Erlebnisse der vergangenen Monate zu sein. Eine Sprache für dieses Phänomen hatte Kampmann nicht. Dennoch wusste er, er würde weitersuchen. Aufgeben würde er nicht. Niemals. [Fortsetzung folgt vielleicht]

Soundtrack: Aphex Twin: «Selected Ambient Works Volume II.» Warp Records/Rough Trade RTD 126.1670.2, 1994.