Die vielen Seiten des Fleißes

Er erinnerte sich noch gut an die Zeit, als er mit dem Studieren begann. Das war zu Kindheitszeiten. Als er also noch so jung war, verschlang er jedes Buch. Nichts war ihm zu langatmig, nichts zu klein gedruckt. Was er für seine Hirnspeisung benötigte, waren lediglich eine Sitzgelegenheit und Papier, nicht mehr. Immer schon zog das weiße, glatte, gelegentlich damals auch sehr holzige, raue Papier mit den schwarzen kleinen Zeichen ihn magisch an. Er fragte sich damals noch nicht, ob es an seiner Herkunft lag. Später hatte er Antworten auf die Fragen nach seinen so genannten Wurzeln: dass er die Chance hatte, zu lesen, lesen zu lernen, zu schreiben, zu rechnen. Er bekam die Gelegenheit des Himmels. Paradiesische Möglichkeiten, die Menschen in den meisten vorgängigen Generationen gar nicht hatten. Und zu Beginn nahm er sie nicht wirklich wahr. Wobei: Er hat gelernt und eine Menge gelernt: über sich und andere. Und dass, obschon er oft nicht in der Schule aufgepasste.

Es ist ihm irgendwann klar geworden, dass dieses Nichtlernen vielleicht sogar die Ursache dafür war, dass er viel später zu dem geworden war, der er wurde. Das Nichtlernen war eine Übung in diesem speziellen Nichtstun, das sich nach einer Weile produktiv entfaltete, nur eben nicht in dem Sinne, der seitens wichtiger Instanzen wie Eltern, Schule oder Musiklehrer vorgedacht war. Nein, das konnte er gewiss nicht: sagen, dass er in der Zeit, in der andere ihre Hausaufgaben machten, nichts tat. Natürlich nicht. Er hatte Projekte. Er bastelte. Er las. Dann hat er gezeichnet, gemalt, geformt. Er hat imaginäre Länder bevölkert und Kriege für das Gute im Menschen und auf der Welt geführt und gewonnen. Er baute Türme, Häuser und Dämme und ließ alles wieder einstürzen. Und er frisierte seinen Teddy, schnitt ihm die Haare und rieb ihn mit diversen Crèmes ein.

Lesen und studieren
Mit Wilhelm Busch aus der Büchergilde im Wohnzimmer. Foto: Familie Kampmann

Vor allem aber hat er gelesen. Und alle Klischees, mit denen man so durch die Welt geht, bestätigte er. Auch er war ein Mensch mit «Kopfkino». Aber dann hat ihn die Welt doch eingeholt. Wenn er heute liest, verbirgt sich seine Ausbildung niemals, selbst wenn er in seiner Freizeit liest und schreibt. Aber das alles ist es ja nicht.