Mondscheinkneipe

In Wiesbaden steigt die Anzahl von Mondschein- oder sog. «Flüsterkneipen» stetig an. Schätzungen für Wiesbaden gehen von 30.000 bis 100.000 Speakeasy-Clubs aus. Dieser Absatzmarkt ist nicht mehr durch einzeln operierende Personen oder Gruppen zu bewältigen. Die Versorgung der illegalen Kneipen wird daher von der Radical Dude Society sichergestellt.

Äppler bei Mondschein – ein hessischer Traum

Zumeist geht es in den Clubs nicht immer so leise und diskret zu, wie es der Name vermuten lässt. Ihre Existenz ist im Grunde ein offenes Geheimnis. Im U-Boot, der berühmtesten Flüsterkneipe Wiesbadens, nahm Miles Davis 1969 sein berühmtes Album In a Silent Way auf. Die Radical Dude Society förderte die Veröffentlichung des Albums im selben Jahr.

Jazz

Ja ja, alte Männer hören Jazz. Ich nicht. Ich bin kein alter Mann.

Heute führte ich eine Diskussion mit einem jungen Menschen und erkannte wie penetrant ich versuche, alles zu vermeiden, was alte Männer so treiben. Eine Brille tragen zum Beispiel. Dass wäre beim Lesen sicher ein Vorteil, aber doch nicht für mich. Die Arme sind lang genug, was soll der Quatsch. Oder Porsche fahren, natürlich den 9elfer. Cool die Ray Ban auf der Nase, das Fenster heruntergekurbelt, auch bei schweinischen Minusgraden, und locker den Arm heraushängen lassen. Wie die Väter es in den 70er taten. Pah, interessiert mich zum Glück genauso wenig, wie Pfeife rauchen oder Whiskeyflaschen sammeln. Den Playboy lese ich auch nicht.

Nun bin ich als Ton- und Lichttechniker und Veranstalter im Laufe der Jahrhunderte mit vielen Jazzmusikern in Kontakt gekommen. Trotz meiner inneren Bilder stelle ich fest, dass nicht alle Jazzmusiker alt sind und auf mit Grünspan besetzten Saxophonen spielen oder auf debile Art und Weise Kinderspielzeug in einen Flügel werfen. Auch sind nicht alle Jazzmusiker männlichen Geschlechts. Wir Dudes denken eh nicht in solchen Kategorien.

Gestern war Jaimie Branch bei uns zu Gast. Wir betreiben die Flüsterkneipe Zum elektrischen Stuhl. Ein derber Name für einen derben Ort. Was soll ich sagen, dass, was Jamie gestern ablieferte, war nichts, was ältere Männer bevorzugen. Vermutlich ist die Musik, die sie spielt, gar kein Jazz. Ja ganz bestimmt ist es keiner.

Trotzdem waren unheimlich viele ältere Männer da. Es kann sich nur um ein Missverständnis handeln. Wahrscheinlich, anders kann ich mir das gar nicht erklären, haben sie sich im Ort, dem Tag oder sonst wie geirrt.

Oder sie haben Jaimie mit irgendwem verwechselt. Oder, und da muss ich jetzt stark sein, ich habe mich in Free Jazz verliebt.

Q. saß in Büttners 911er und fühlte sich sichtlich wohl.

Büttner, das weiß ich, der lächelt jetzt. Der geistert ja schon seit Anbeginn der Zeit durch die Jazzkneipen der Welt und entdeckt neue Talente. Vielleicht sollte ich doch mal mit ihm durch die Straßen cruisen, in seinem 9elfer, natürlich dann, wenn es regnet, die Scheiben heruntergekurbelt und den Arm lässig raushängen lassend, die Ray Ban auf der Nase, und Miles zuhören, wenn er Générique lakonisch-melancholisch zum Besten gibt.

Soundtrack: Jaimie Branch, Fly Or Die Live, International Anthem, 2020